Warum Alleinerziehende oft an sich selbst sparen

oder „Die Geschichte von der 10 Jahre alten Hose“: Vor ein paar Tagen saßen Junior und ich in der Stadtbahn Richtung Kita und er sagte: „Mama, diese Hose hattest du noch nie an! Ist die neu?“

Ich hätte die Unterhaltung gern zuhause weitergeführt, denn die Bahn war voll und ich wusste, dass einige Leute mitkriegten, was wir sagten. Und ich lüge meinen Sohn nicht an. Also sagte ich: „Nein Schatz, schau doch mal – die ist doch ganz kaputt und ausgerissen und hier hat sie auch noch eine kleine Macke. Die Hose ist bestimmt 10 Jahre alt.“

Wir unterhielten uns noch ein wenig darüber, warum ich die Hose angezogen hatte (ich hatte es nicht geschafft zu waschen) und darüber, warum ich mir denn keine neuen Hosen kaufte, wenn ich doch zu wenig davon hätte.

Ich erklärte Junior, dass ich mein Geld lieber in neue Schuhe für ihn investiere und dass ich doch gerade erst neue Schuhe gekauft hatte. Das war nötig, denn meine alten waren so ausgelatscht, dass in der Sohle ein Loch entstanden war. Im Sommer egal – im Herbst eher ungünstig.

Alles prekär?

Immer wieder höre, sehe oder lese ich Berichte über Alleinerziehende, die nicht genug Geld zum Leben haben. Deren Expartner keinen Unterhalt zahlen, die keine gute Betreuung für ihre Kinder finden und dazu noch einen miesen Halbzeitjob feststecken, von dem sie sich so gerade über Wasser halten können. Es gibt viele, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.

Das ist bei uns nicht so. Wir leben ein gutes Leben und wir haben alles, was wir brauchen – und noch mehr. Trotzdem habe ich jedesmal Angst vor bestimmten Monaten, in denen ich mit zusätzlichen Ausgaben rechnen muss.

Zum Beispiel ist das jedes Jahr im Oktober so, wenn hier die Gas- und Stromzähler abgelesen werden. Oder im Juni, wenn der Betrag für meine Lebensversicherung abgebucht wird. Oder natürlich im Februar und im August, wenn der Semesterbeitrag fällig wird.

Jetzt gerade war es doppelt blöd. Es lag nicht nur der Oktober hinter mir. Zusätzlich wurden mal wieder die Krankenkassenbeiträge „angepasst“ (also erhöht) und meine Berufsunfähigkeitsversicherung ist teurer geworden. Das tut weh. (Ich weiß, dass eine solche Versicherung für viele andere Alleinerziehende nicht drin ist – ich leiste sie mir.)

Mieses Gefühl in bestimmten Monaten

Und das verstärkt mein Gefühl, dass ich auf die paar angesparten Euros, die auf meinem Konto liegen, aufpassen muss. Dass ich keine unnötigen Ausgaben verkrafte. Zumal ja Weihnachten vor der Tür steht und ich derzeit nur wenige Kundenaufträge habe.

Es gibt nun aber viele Bereiche, in denen ich nicht spare. Dazu zählen unter anderem Schuhe für meinen Sohn, Lebensmittel und eben auch solche Dinge wie Versicherungen. Ich bin sehr genau mit meinen Finanzen, weiß immer, wohin mein Geld fließt. Ich kenne all meine Rechnungsposten, Daueraufträge und SEPA-Mandate, egal ob es monatliche oder jährliche Ausgaben sind.

Mein Haushaltsbuch deckt mir regelmäßig auf, wie viel Geld für Genussmittel, Hobbys oder Kaffee in der Uni draufgeht. Und ich kann sagen: Ich habe das im Griff.

Wo sparen? An mir selbst natürlich

Was passiert jetzt aber, wenn ich mir eine neue Hose kaufen möchte? Ich denke darüber nach, schaue auf meine Kontostände und rechne. Ich möchte keine Billighose kaufen, denn das finde ich auf viele Weisen falsch: Einerseits ist es mit Blick auf die Herstellungsländer einfach nur widerlich, eine Hose für 14 Euro zu kaufen.

Andererseits fällt mir das in einem halben Jahr auf die Füße, wenn die Hose kaputt ist und ich schon wieder eine neue brauche. Und das dritte, nicht unerhebliche Argument: Ich möchte mich wohlfühlen in meiner Kleidung. Kann ich das in einer Hose, die mir schon beim Kauf nicht gefällt, nicht richtig passt, mir kein gutes Gefühl macht?

Diese Überlegungen machen einen Hosenkauf zu einer größeren Investition und die muss bedacht werden. Ich schiebe den Kauf also auf und finde neue Wege: Zum Beispiel eben eine uralte Hose aus dem Schrank zu kramen, die mir irgendwann nicht mehr gefiel, nicht mehr gut passte oder was auch immer es war, das diese Hose unten in meinem Schrank verschwinden ließ.

Und hey, ist es nicht ein guter Gedanke, dass mir diese Hose nach so langer Zeit noch passt?

Es gibt ein Ungleichgewicht

Zwischen dem, was ich für meinen Sohn ausgebe, und dem, was ich in mich selbst investiere, gibt es also große Unterschiede. Bei ihm zögere ich nicht eine Sekunde, wenn wir Winterstiefel für 80 Euro kaufen. Ich selbst brauche keine Winterstiefel. Es reichen zwei Paar Sneaker, die ich abwechselnd trage, wenn sie mal nass geworden sind.

Mein Sohn bekommt selbstverständlich neue Klamotten, wenn er aus seinen alten rausgewachsen ist. Ich kaufe viel auf dem Flohmarkt, denn das hat nicht nur Vorteile, was die Kosten angeht. Für mich kaufe ich selten etwas Neues und trage meine alten Klamotten, bis sie wortwörtlich auseinanderfallen. Das ist auch okay so, ich habe mich dran gewöhnt.

Blöd wird es nur, wenn ich doch mal Kundentermine habe und etwas Repräsentatives anziehen muss. Aber je mehr ich mich in Richtung Online-Beratung entwickle, umso weniger ist das der Fall. Man könnte jetzt also sagen, es sei alles in Ordnung und alle haben, was sie brauchen. Oder etwa doch nicht?

Das Problem verselbstständigt sich

An dieser Stelle komme ich zurück auf die Hose und die Unterhaltung in der Stadtbahn. Warum nämlich ist es mir unangenehm, dass andere es mitkriegen, wenn ich meine uralten Hosen wieder aus dem Schrank krame?

Es liegt daran, dass ich einen (falschen?) Stolz habe. Und ich denke, dass das bei vielen anderen auch der Fall ist. Wir zeigen, dass wir es hinkriegen. Wir schaffen das schon, es muss ja weitergehen. Und hey, was wäre eigentlich die Alternative?

Aber ist das wirklich so? Müssen wir zeigen, dass wir alles auf die Reihe kriegen? Was wäre, wenn wir durchblicken ließen, dass es halt gerade so geht? Es geht gerade so, weil wir extrem zurückstecken. Weil wir an Geld für unsere eigenen Hobbys sparen. Weil wir ja sowieso keine Zeit für Hobbys haben.

Ich schaffe es dank der Unterstützung vieler großartiger Menschen, noch ein Privatleben zu haben. Aber was ist mit denen, die kein solches Netzwerk haben? Oder die zu schwach und zu müde sind, sich in diesem Netzwerk zu bewegen? Sich Hilfe und Unterstützung zu suchen?

Ich denke, dass diejenigen immer mehr zurückstecken. Das Problem wird immer größer, es verselbstständigt sich. Und irgendwann ist es normal – so normal, dass wir nicht mehr daran glauben, es könnte anders sein.

Was wäre, wenn ich mir morgen eine neue Hose kaufe, in der ich mich fantastisch fühle und an der ich mich viele Tage lang freuen werde? Hätte sich die Anschaffung dann nicht schon gelohnt?

Rechnerische Grüße
Anna

Bild: privat.

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