Corona, es ist zu viel

Ich wollte nie über Corona schreiben. Weil ich immer noch eine der Personen bin, die vergleichsweise gut weggekommen ist. Ich musste mir keine Gedanken über irgendwelche finanziellen Hilfen machen, mir fehlt es nicht an Arbeit. Woran es fehlt, ist Zeit. Zeit für Junior, Zeit für mein Business, Zeit für meine Kunden, Zeit für den Haushalt, für meine Blogs. Und wenn schon für diese Dinge zu wenig Zeit ist… Was ist mit Zeit für mich? Zeit für Sport? Für Hobbys? Für Spaziergänge oder einfach mal einen Kaffee in Ruhe? Zeit, um aus dem Fenster zu schauen? Und was mir auch fehlt: Zeit zum Spielen. Es ist zu viel.

Ich habe jeden Tag eine ellenlange To-do-Liste. Noch mehr als sonst schon. Wo ich immer meine drei Welten zu wuppen habe, bin ich jetzt noch zusätzlich Lehrerin, Psychologin, Koordinatorin für Klassenkonferenzen und Organisatorin für Arbeitsblätter und sonstigen Kram, den Junior eigentlich nicht braucht. Ich schaffe meine Liste nie. Nie, weil es einfach nicht geht. Es ist zu viel. Ich merke es an meinen Migräne-Attacken, die jetzt wieder zweimal im Monat kommen, anstatt einmal alle zwei Monate. Das ist nicht witzig, vor allem, weil Junior die in vollem Umfang mitbekommt. Er ist ja quasi immer da. Das macht Angst und Frust und ich kann nichts dagegen tun.

Sport? Geht grad nicht

Ich bin jetzt seit November kaum mehr gelaufen. War ich am Anfang der ganzen Corona-Zeit noch motiviert, kann ich jetzt einfach nicht mehr. Es ist so viel liegen geblieben, dass ich in jeder „freien“ Minute rotiere, um irgendwie meine Projekte fertig zu kriegen. Und ich schaffe es mehr schlecht als recht.

Im April / Mai habe ich zwei große Aufträge verloren, weil ich es einfach nicht geschafft habe. Ich hatte die Aufträge vor Corona zugesagt, mit meinem damaligen Zeitplan. Dann brachen mir innerhalb von wenigen Wochen ca. 40 Stunden pro Woche weg. Wie soll man da alles schaffen? Was also weg fiel: Zeit für mich, Zeit für meine Hobbys, Zeit für Sport. Ich bin so müde, dass ich es einfach nicht hinkriege.

Was also tun?

Um mich zu beruhigen, habe ich viel gepuzzelt, weil ich das mit Junior zusammen machen kann. Und im Sommer, der ja so gütig war und uns so viel gutes Wetter brachte, sind wir ständig unterwegs gewesen. Wir waren mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs, oder aber Junior hatte sein Rad und ich bin gelaufen. Nicht ohne Konflikte, aber immerhin ging es eine Zeit lang ganz gut.

Jetzt ist Winter und ich kann die Spielplatz-Runde nicht mit einer Laufrunde koppeln wie im Sommer. Ich würde in der Zeit, die wir auf den Spielplätzen verbringen, erfrieren. Und letztlich habe ich auch noch viel weniger Zeit als im Sommer, denn all die Stunden haben sich angehäuft. All die verpassten und verschobenen Stunden sind immer noch nicht aufgeholt. Es ist zu viel.

Verpflichtungen: Stress und Langeweile

Es macht mich unendlich traurig, aber derzeit bin ich nur noch für Stress und Streit zuständig. Ich bin die, die ihm die Schulaufgaben vorlegt und durchsetzt, dass er sie macht. So unnötig sie auch sind, so unpassend für ihn. Ich habe keine Kraft mehr, wieder und wieder mit der Lehrerin zu diskutieren, dass diese Form von Kinderverblödung für meinen Sohn schrecklich ist, dass er andere, fordernde Aufgaben braucht.

Sie ist taub auf dem Ohr, er muss also weiter die langweiligen Wiederholungsaufgaben machen, immer und immer wieder. Ich bin die, die ihn dazu zwingt. Und trotzdem bekomme ich regelmäßig eins aufs Dach, weil ich irgendwelche Zusatz-Arbeitsblätter übersehen oder etwas nicht ausgedruckt habe. Yay.

Ich bin es auch, die immer und immer wieder mit Junior darüber diskutiert, dass er im Haushalt helfen soll. Ich sehe es einfach nicht ein: Warum soll ich jetzt anfangen, ihm alles hinterherzutragen, damit er dann nach Corona denkt, das sei normal? Nein. Wir leben hier zu zweit und ich werde mich auch nicht durch Corona zur Putzfrau degradieren lassen. Also setze ich durch, was unsere Abmachungen sind. Die gibt es nur hier.

Ich habe nur noch den Streit, alles Schöne macht Junior woanders

Hier muss Junior im Haushalt helfen. Er hat seine Aufgaben. Er muss Rücksicht nehmen, wenn ich Termine habe. Weil es nicht anders geht. Hier hat er also Arbeit, muss Rücksicht nehmen, muss seine Aufgaben erledigen.

Alles andere erledigt Junior bei Oma und beim Dings. Denn der Dings nimmt ihn ja wie gehabt nur in seiner Freizeit. Einen einzigen Tag hat er sich bis jetzt frei genommen, um das Kind zu bespielen. Weil ich ihn mehr oder weniger dazu gezwungen habe. Allein würde er nicht auf die Idee kommen.

Was erlebt Junior also? Hier wird es immer stressiger. Ich werde müder und müder, angespannt durch all die liegen gebliebenen Aufgaben. Ich schaffe nichts mehr wirklich. Und ich bin die, die Hilfe und Aufmerksamkeit von Junior einfordert. Wir streiten also.

Und seine unbeschwerte Freizeit verbringt er dann halt woanders. Wenn ich mir gezielt Zeit frei nehme, dann will Junior nicht mit mir spielen. Dann muss er gerade runterkommen vom anstrengenden Dings-Wochenende oder er ist mal wieder genervt von mir oder er hat Sorge, dass mir beim Spielen einfallen könnte, dass die Spülmaschine noch nicht ausgeräumt ist.

Es ist wie gehabt, nur schlimmer: Ich habe die Konflikte, die Erziehung, der Dings hat den Spaß. Und es macht mich wirklich unendlich traurig, dass das so ist, Ich gönne Junior diese Zeiten, absolut. Nur bleibt für mich derzeit gar nichts mehr. Das ist hart.

Corona, das Unplanbare. Es ist zu viel

Die Perspektive ist weiterhin schlecht. Und das macht es so anstrengend. Denn wüsste ich, dass es nur noch ein paar Wochen sind, nur noch ein bisschen Durchhalten, dann wäre es okay. So aber macht das keinen Spaß. Es ist alles zu viel. Und auf Dauer macht das nicht nur was mit mir, sondern auch mit meinem kleinen System, das ich doch mit so viel Energie aufgebaut habe. Letztlich kann ich nur sagen: So geht es nicht weiter. Es ist zu viel. Es macht was mit uns. Und ich fühle mich dieser Entwicklung hilflos ausgeliefert.

Ich kann nichts mehr richtig machen, irgendetwas oder irgendwer leidet immer. Das war früher schon so, aber nicht so krass. Und ich bleibe auf der Strecke, da helfen auch keine 1,5 Tage „Freizeit“, wenn Junior dann doch mal mit dem Dings dessen Freizeit verbringen kann.

Deine erschöpfe
Anna

Bild: Public Domain. Engin_Akyurt, Pixabay

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