Wie sehr ich diese Sätze hasse. Solltest du jemals im Gespräch mit einer Alleinerziehenden sein und dir geht ein „ich könnte das nicht“ durch den Kopf: Schluck es runter, halt dich zurück. Das ist keine Hilfe, da ist nichts Freundliches in diesem Ausdruck. Und Mitleid ist hier auch fehl am Platz. Warum du eine andere Perspektive brauchst und was Alleinerziehenden mehr hilft als diese abgedroschenen Sätze.
Gut gemeint, schlecht gemacht
„Anna, es läuft nicht gut, wir streiten nur noch. Ich fühle mich gar nicht mehr wohl in unserer Beziehung.“ Meine Bekannte hat mich mal wieder eingeladen, um sich auszuheulen. Das ist okay, das darf sie. Wir trinken Kaffee, reden, albern rum. Heute ist es ein bisschen ernster als sonst, aber eigentlich kenne ich die Geschichten alle schon.
Ich lächle, sage ihr zum wiederholten Male, dass sie doch froh sein kann. Immerhin sei ihr Mann doch auch ihr bester Freund, liebevoll zu den Kindern und dazu noch ziemlich attraktiv. Erinnere sie an ihre eigenen Worte, an die Anfänge. Da war doch mal was zwischen euch, das wichtiger war als alles andere. Ich muss nicht viel reden, das ist heute nicht das, was sie braucht. Ich sehe den Widerstand. Schon geht es weiter: „Ja, aber das war mal. Jetzt ist es überhaupt nicht mehr schön.“
Also wechsle ich den Modus: „Was wünschst du dir denn? Hilft Reden denn gar nichts mehr? Wenn du alles andere schon probiert hast, musst du vielleicht doch mal über eine Trennung nachdenken?“
Da, schon knickt sie ein. Nein, das sei keine Option. Das könne sie ja den Kindern nicht antun und überhaupt: „So wie du das machst… ICH KÖNNTE DAS NICHT!“
Bäm! So oft ich diesen Satz höre, er haut mich dennoch jedesmal wieder um. Denn was soll das bedeuten? Dass mein Leben allzu scheiße ist? Ein Leben, das niemand freiwillig führen will? Lieber unglücklich in der Beziehung bleiben, als in eine Situation zu geraten, die meiner ähnlich ist? Na danke.
„Alleinerziehend sein? Ich könnte das nicht!“ Alles eine Frage der Perspektive
An manchen Tagen leiste ich Unfassbares. Das fällt mir immer dann auf, wenn ich meine Tage mit den Tagen von anderen vergleiche. Ich weiß, Vergleiche sind vollkommen sinnlos, nur manchmal verfallen wir ja doch diesen Gedanken.
Und nicht nur ich vergleiche mich, andere eben auch. Sie sehen mich rennen, jeden Tag. Damit ich rechtzeitig zur Kita komme. Wenn Termine länger dauern, wird es eng. Sie sehen, dass ich es manchmal nicht schaffe, für die Feiern in der Kita zu backen. Dass ich eben nicht den Mann mal eben zum Einkaufen schicken kann, wenn kein Brot mehr da ist. Und dass ich, wenn ich ausgehen möchte, immer erst eine Betreuung organisieren muss.
Aber hey, weißt du, was die alle nicht sehen? Zum Beispiel, dass ich mich vor niemandem rechtfertigen muss, mit niemandem diskutieren, wenn ich hier Entscheidungen treffe. Ich bin gut organisiert, denke an alle wichtigen Dinge und ich muss niemanden daran erinnern, dass er sich an der Hausarbeit beteiligen soll. Ich muss mir keine blöden Sprüche anhören, wenn ich die Wäsche nicht gewaschen habe oder die Wohnung nicht aufgeräumt ist.
Ja, mein Leben hat sich sehr verändert in den vergangenen Jahren. Aber ich lebe doch sehr viel lieber ohne Partner, als in einer unglücklichen Beziehung, in der ich immer wieder die gleichen Dinge diskutieren muss und der Mental Load sowieso bei mir allein liegt.
Du könntest das nicht? Und wie du das könntest!
Und dann dieses „Ich könnte das nicht!“ Ach ja? Könntest du nicht? Dann hier für alle, die diesen Satz immer wieder unbedacht sagen: Es gibt keine Alternative dazu. Es nicht zu schaffen ist keine Option. Entweder du reißt dich zusammen, organisierst dich, kümmerst dich darum, dass das Leben einigermaßen läuft… oder…
Ja, aber was denn oder? Was soll denn passieren? Ich merke, dass ich es nicht schaffe und gebe mein Kind zur Adoption frei? Schmeiße mein Studium hin? Meine Selbstständigkeit gebe ich auf? Beantrage Sozialhilfe?
Es gibt keine Alternative dazu, es zu schaffen. Du schaffst es. Immer. Irgendwie. Und da gibt es Tage, an denen schaffst du es besser und andere Tage, da musst du dich verdammt hart zusammenreißen. Aber du schaffst es. Immer. Aufgeben ist keine Option.
Und die, die glauben, dass sie das nicht könnten… Doch, natürlich. Du würdest es genauso schaffen. Für dich, für dein Kind, für euer Leben. Und egal, in welchem Modell man dann lebt, wie man sich organisiert, was man tut – man schafft es. Denn das ist die Situation. Wir reagieren darauf und schaffen es. Weil es gar nicht anders geht.
Was du statt dieser blöden Sätze sagen kannst
Du möchtest helfen? Deine Wertschätzung ausdrücken? Deinen Respekt vor dieser Situation? Dann mach das doch, es ist nämlich ganz einfach:
- Brauchst du etwas? Kann ich dir etwas Gutes tun?
- Möchtest du mal in Ruhe einen Kaffee trinken und erzählen?
- Kann ich dir das Kind mal für einen Nachmittag abnehmen?
- Ich sehe dich. Es ist großartig, wie du euer Leben im Griff hast.
- Ich bin da. Melde dich, wann immer du willst.
- Es ist okay, wenn du busy bist. Dann verschieben wir das Treffen eben auf nächste Woche.
- …
Du siehst, es gibt ganz sicher viele unterstützende Sätze, die du sagen kannst. „Ich könnte das nicht“ gehört aber nicht dazu. Und wenn du mal darüber nachdenkst, dich von deinem Partner zu trennen, ist die Alleinerziehende vielleicht ein guter Gesprächspartner, um dir die Angst davor zu nehmen, dein Leben auch allein in den Griff zu kriegen. Denn das geht. Wir schaffen es. Immer.
Deine alles schaffende
Anna
Bild: Public Domain. ThoughtCatalog, Pixabay
Liebe Anna, wie war! Und ganz ehrlich? Manchmal beneide ich meine alleinerziehenden Freundinnen sogar etwas. Vor allem die mit den kinderfreien Wochenenden.
Klar kann ich gut reden, ich habe ja auch einen tollen Mann, der mir den Rücken frei hält, der mitanpackt. Und ich will mich nicht trennen. Und als Scheidungskind weiss ich sehr gut, was meine Mutter geleistet hat.
Aber immer nur jammern und nichts verändern, wenn es nicht mehr passt ist keine Lösung. Vielleicht ist in dem Satz „ich könnte das nie“ auch eine grosse Portion Neid verpackt. Vielleicht antwortest du ihr beim nächsten Mal: Ja, das kann ich mir gut vorstellen, dass du das nicht schaffen würdest. Es braucht nämlich Mut und Durchhaltewillen. Du müsstest raus aus deiner sicheren Welt und das können tatsächlich nicht alle. Machen statt jammern braucht Mut.“
Ok. vielleicht hättest du dann eine Freundin weniger!?
Liebe Karin,
nein, so würde ich das nicht machen. Ich möchte wirklich eher darauf aufmerksam machen, dass es eine verdammt anstrengende Situation ist und dass diese mal eben dahergesagten Sätze nichts besser machen. Also, wenn sich diese Bekannte weiter bemitleiden möchte, kann sie das tun (du weißt ja – bei mir darf jeder sein, wie er oder sie will). Aber eben nicht auf meine Kosten – denn das impliziert eben, dass mein Leben nicht lebenswert ist und das stimmt einfach nicht. Es gibt nur einen anderen Fokus, andere Aufgaben, andere Zeiten 😉
Danke für deine Gedanken