Das schönste Geschenk meines Lebens

Okay, der Titel klingt nach einer Antwort wie dieser: „Mein gesundes und tolles Kind natürlich!“ Aber hier soll es um etwas anderes gehen. Denn dieser Beitrag entsteht aus dem Bauch heraus, weil ich gerade eben über eine Blogparade von Sunnybee gestoßen bin. Es geht darum, über das schönste Geschenk zu schreiben, das man je bekommen hat.

Puh, das ist natürlich schon ne Aufgabe, das eine unter den vielen, vielen Geschenken zu finden, das mir am meisten gefallen/ gegeben/ Herzklopfen bereitet/ mich glücklich gemacht hat. Und jetzt könnte ich sicher anfangen, hier stundenlang darüber nachzudenken.

Aber – vielleicht kennst du das ja auch – manchmal blitzt es im Kopf, die Synapsen sind irgendwie so verschaltet, dass du nur auf eine einzige Geschichte kommen kannst. Das war eben bei mir so, als ich über Sunnybees Aufruf gestolpert bin. Dies ist die Geschichte eines ganz speziellen Tagebuchs:

Wann war das eigentlich?

Tatsächlich kann ich dir nicht sagen, wann ich dieses Geschenk bekommen habe, also in welchem Jahr. Ich kann dir nicht mal den Anlass sagen, denn er war nicht wichtig – ich habe mir nicht gemerkt, ob ich dieses Geschenk zu Weihnachten oder zum Geburtstag bekommen habe.

Wichtig ist allerdings, wer mir dieses Geschenk gemacht hat, nämlich mein damals bester Freund Michael. Wir kannten uns aus dem Studium, mochten uns gern und hatten dann auch noch einige verrückte gemeinsame Freunde, über die wir uns manchmal austauschen mussten. Einfach um zu checken, ob unsere Realität noch zu der des anderen passte.

Wir quatschten nächtelang, wir tranken Rotwein und Weißwein und Bier und manchmal auch nur Wasser. Er spielte auf seiner Gitarre, ich hörte zu. Wir hörten meine Radiosendungen und philosophierten über alles, was uns gerade so beschäftigte.

Ich half ihm durch die Trennung von seiner Freundin, er sagte mir immer wieder, wie dumm ich doch sei, mit so einer Flachpfeife zusammenzusein und zu bleiben. (Mein damaliger Freund war wirklich eine Flachpfeife, aber ich habe das über vier Jahre nicht gemerkt.)

In so einer Situation also bekam ich dieses tolle Geschenk.

Über das Zuhören und das Schreiben

Micha wusste, dass ich den Austausch mit Menschen brauche. Dass ich über viele Dinge erzählen muss, um sie richtig zu Ende einordnen und bewerten zu können. Oft ist es so, dass ich etwas erlebe oder mir etwas passiert und mir fehlen die Worte dafür.

Aber dann, nachdem alles gesackt ist, muss ich darüber reden. Und problematisch wird es dann, wenn ich niemanden finde, der diese Rolle übernehmen könnte. Einfach keiner da, mit dem ich mich austauschen kann.

Ich bekam also dieses Geschenk von Micha und ich packte es aus. Darin: Ein blaues Tagebuch. (Dieser Link führt zu dem Tagebuch von Doro Ottermann auf Amazon, falls du dir das Buch einmal genauer anschauen willst. Es ist kein Affiliate-Link – ich verdiene nichts, wenn du es kaufst, und will es auch gar nicht. Du kannst das Buch aber auch im örtlichen Buchhandel bestellen – die sind schneller als Amazon, du unterstützt den örtlichen Handel und ökologischer ist es auch.)

Und Micha sagte: „Wenn dich mal keiner fragt, wie dein Tag so war.“ Dieses Tagebuch war nämlich nicht nur ein Tagebuch, sondern es war ein Buch, das mir Fragen stellte: Wie war dein Tag? Ganz einfach und schlicht.

Keine mega-tiefgehenden Reflexionsfragen, sondern alltägliche Dinge wie etwa was ich gegessen hatte oder wie das Wetter war; wen ich getroffen hatte. Diese Fragen brachten mich dann natürlich doch in die Reflexion.

Dieses Buch kostet nur wenig Geld, aber das hat mich noch nie interessiert. Für mich waren es die Geste und die Gedanken, die das Geschenk so wertvoll machten. Denn alleine die Tatsache, dass dieser damals so tolle Freund so genau wusste, wie sehr ich diese Frage am Ende des Tages brauchte, hat mich so berührt, dass ich dieses Geschenk als unglaublich in Erinnerung behalten habe.

Obwohl die Freundschaft nicht mehr existiert und ich Micha schon seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Und obwohl ich in das Buch schon lange nicht mehr schreibe.

Der Bogen zu heute: Journaling für Alleinerziehende

Auch heute brauche ich noch Menschen, mit denen ich mich austauschen kann. Die besten Beziehungen habe ich zu Menschen, denen ich von meinen Tagen, Erlebnissen, Ärgernissen, Gedanken und Wünschen erzählen kann. Die mir zuhören und nicht werten – auch wenn es mal verrückt ist. Die sich meine Geschichten anhören und mich trotz oder vielleicht gerade wegen meiner verworrenen Gedankengänge lieben.

Seit ich Single bin – also seit knapp fünf Jahren – habe ich niemanden mehr, der mich regelmäßig abends fragt, wie mein Tag so war. Und auch davor bin ich mir nicht sicher, denn der Dings, mit dem ich ja ein paar Monate lang zusammen wohnte, hat mich sicher nicht danach gefragt. Jedenfalls nicht regelmäßig.

Dieser Zustand ist ein Problem. Und ich glaube, dass dieses Problem viel gewichtiger ist, als alle finanziellen Probleme von Alleinerziehenden zusammen. Es ist furchtbar, keinen Austausch zu haben. Keinen Austausch über die Kinder, über die Sorgen, über die kleinen und großen (alltäglichen) Wunder, über die Pläne und Wünsche. Es ist einfach niemand da. Das ist ein riesengroßes Problem.

Wer immer noch glaubt, die größten Probleme von Alleinerziehenden seien der Haushalt, die Überforderung und die finanzielle Last, der hat das Grundproblem nicht verstanden. Es geht hier darum, dass man ALLEIN ist. Mit sehr vielen Dingen ist man ALLEIN.

Klar, ich habe Freunde, ein Netzwerk, meine Mutter – alles Menschen, die ich nicht missen möchte. Aber sie können nur punktuell abfedern, was ich jeden Tag erlebe und was mich beschwert.

Warum Schreiben gegen den Wahnsinn hilft

Sicher ist Schreiben nicht DIE Lösung für dieses große Problem. Aber es hilft. Es hilft dabei, nicht alles in sich hineinzufressen. Und es hilft auch dabei, Gedanken zu sortieren und rauszulassen, wenn sie gerade wieder so schön ihre Runden in meinem Gedankenkarussell drehen.

Ich schreibe nicht mehr in das kleine Buch zum Ausfüllen und Ankreuzen, das mir Micha damals geschenkt hat. Aber ich schreibe. Und ich glaube, wenn ich das nicht tun würde, ginge es mir wesentlich schlechter.

Derzeit schreibe ich eine Mischung aus Dankbarkeits- und Erfolgsjournal, ab 2019 will ich dann mit dem Journal von Klarheit durchstarten. (Nein, auch dies ist kein Affiliate-Link. Wenn du hier klickst, kommst du zur Website von Klarheit und kannst dir das Journal anschauen, das ich bald zum täglichen Schreiben nutzen werde.)

Dieses Journal stellt auch Fragen, aber ein bisschen anders als das kleine, blaue Tagebuch von Doro Ottermann.

Daher mein Rat an alle Alleinerziehenden Menschen da draußen: Schreibt! Schreibt Tagebuch, Journal, Blog, Notizen, Kurzgeschichten, Romane, … Ganz egal was – aber schreibt. Insbesondere dann, wenn ihr niemanden habt, der euch fragt, wie euer Tag so war.

Deine, heute sehr dankbare
Anna

Bild: privat.

2 Antworten auf „Das schönste Geschenk meines Lebens“

  1. Liebe Anna, danke für deinen schönen, berührenden Beitrag zu meiner Blogparade!🙂 Ja, ich bin auch so jemand, der im Darüberreden die Dinge „verdaut“, die mich beschäftigen und auch meine Kraftquelle ist das Gespräch – immer wieder – mit lieben Menschen, die einfühlsam zuhören können, mich durch ihre ähnliche Sichtweise bestärken oder mit ihrer eigenen Meinung meinen Horizont erweitern. Und auch ich kenne die Stille, wenn gerade niemand da oder zu erreichen ist. Schön, dass dein Freund Michael dich damals so gut verstanden und „erkannt“ hat! Herzlichen Gruß, Sarah (in meinem Blog „Sunnybee“)

    1. Liebe Sarah,
      danke dir für den Impuls – ich war ja gestern auf deinem Blog, weil du an meiner Blogparade teilgenommen hast. Und dann musste die Geschichte einfach raus 😉

      Ja, es war eine tolle Zeit damals – nicht immer einfach, aber trotzdem schön. Das Schreiben war und ist einfach elementar wichtig. Und wenn es nur fünf Minuten am Tag sind. Das wollte ich gern weitergeben.

      Herzlichen Gruß
      Anna

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