Trauer um meine freien Wochenenden: Blöd gelaufen ist gar kein Ausdruck

Ganze 11 Wochenenden hatte ich. 11 Wochenenden von etwa 9 Uhr am Samstagmorgen bis etwa 18:30 Uhr am Sonntagabend. Das sind gut 33 Stunden, die ich zu meiner freien Verfügung hatte. 11 Mal. Und jetzt sind sie wieder weg. Denn Junior will nicht mehr beim Dings schlafen. Ich weine, nicht nur innerlich. Und nicht nur für Junior, dass er einen Vater hat, bei dem er sich nicht sicher fühlt. Nein, ich weine auch für mich – total egoistisch – denn ich hatte mich gerade daran gewöhnt. An meine freien Wochenenden.

Junior hat es mir vor ein paar Tagen gesagt: „Ich will nicht mehr zu Papa.“ Er vertraut ihm nicht genug, um dort zu übernachten, um überhaupt dort zu sein. Und mein Herzschlag beschleunigt sich, denn ich weiß: Ich werde ihn nicht zwingen, genau wie im vergangenen Jahr auch schon. Ich werde ihn unterstützen, egal was passiert. Aber meine freien Wochenenden sind futsch – dabei hatte ich sie doch erst seit kurzer Zeit; kein halbes Jahr.

Die neue Freiheit nach 5 1/2 Jahren: Freie Zeit, frei verfügbar. Freizeit also

Es war am 26. Oktober 2019. Morgens um 9:30 Uhr. Der Dings holt Junior ab, die Tür geht zu, ich habe frei. Bis Sonntagabend zum Abendessen, also etwa 18 Uhr. Das ist unfassbar viel Zeit, die ich nicht mit beruflichen Terminen vollgepackt habe.

Ich hatte schon mal freie Wochenenden in den letzten fünfeinhalb Jahren, aber das war nur, wenn ich wichtige Termine hatte, verreisen musste. Dann hat Junior bei meiner Ma geschlafen und ich bin meist sehr früh in irgendeinen Zug gehüpft und den anderen Tag vor Schluss wieder vom Event weggefahren, um Junior zumindest noch kurz zu sehen. Diese Wochenenden fühlten sich auch schon ein bisschen wie Freiheit an, aber ich musste halt arbeiten, war verplant.

Jetzt ist es anders. Ich habe zwar was vor, aber nur schöne Dinge. Erstmal ziehe ich mir meine Laufschuhe an und los geht’s. Es ist 09:46. Ich bin 55 Minuten unterwegs, 8 Kilometer – gar nicht so übel. Die Dusche: Eine Wohltat. Kein Stress, kein Kind, das unerwartet ins Bad stürmt und ruft: „Wann bist du denn fertig?“ Ich mag diese Wochenenden schon jetzt.

Ich fahre nach Lemgo, denn ich betreue dort ein Web-Projekt. Das passt auch zu meiner neuen Idee von Freiheit. Ich möchte diese Zeit nutzen, anders als ich es sonst getan habe. Ich möchte an diesen freien Wochenenden etwas sehen, das ich sonst nicht sehe. Will kleine Abenteuer erleben und vielleicht auch mal ganz bewusst nichts tun.

Freie Wochenenden: Meine Zeit, meine Abenteuer, mein Leben

So mache ich es dann auch. Kleine Ausflüge, Touren, Sport, einfach mal wegfahren. Im November bin ich in einem Offroad-Park und fahre durch Matsch und Schlamm – auf dem Beitragsbild siehst du, wie wir im Wasserloch steckengeblieben sind und auf die Seilwinde warten.

Ein anderes Wochenende fahre ich entspannt zur Gedankentanken Rednernacht nach Köln, plane Kurztrips in die nähere Umgebung. Ein Wochenende verbringe ich in Bayern, besuche dort einen Bekannten, weil es gerade passt.

Manche freien Wochenenden hüpfe ich einfach ins Auto oder in den Zug: Im Januar fahre ich spontan nach Detmold, weil ich gern eine Waffel essen möchte und die Suchmaschine mir sagt, dass es dort gute Waffeln geben soll. Ich schlendere durch kleine Städtchen und Orte, mache Radtouren, besuche Freunde und Bekannte. Es sind jetzt meine besonderen, freien Wochenenden.

Ich bleibe auch mal über Nacht weg – verwegen, ich weiß. Aber das geht ja jetzt. Ein ganzes Wochenende mit dem interessanten Mann und dann auch noch mit ausschlafen in der Mitte. Es waren gute Wochenenden, an denen ich sehr bewusst nur wenig gearbeitet habe. Lieber das Heute genießen, Kraft und Entspannung tanken für die kommenden Wochen.

Keine freien Wochenenden mehr – und yay! – auch noch Corona

Jetzt ist mein wundervolles System zusammengebrochen. Es ist Corona. Die Kita hat seit zwei Wochen zu. Meine Ma, die mir Junior regelmäßig abnimmt, stunden- oder tageweise und auch mal nachts, ist in Quarantäne. Sie gehört zur Risikogruppe und hat Sorge, das Virus zu bekommen.

Ich verstehe das und ich unterstütze ihre Entscheidung, Zuhause zu bleiben. Jetzt kaufe ich für sie ein und wir sehen uns nur noch über den Balkon.

Das ist hart für Junior und auch für mich. Denn hier bricht mir nicht nur Zeit weg, sondern auch eine der wichtigen Sozialstrukturen, die Junior doch gerade jetzt so dringend braucht. Jetzt sieht er seine Kita-Kollegen nicht mehr und auch nicht seine Oma. Es ist hart.

Und die Zeit? Tja. Es geht jetzt nicht mehr um Freizeit, um Freiheit, um Leben. Es geht um Zeit, die ich brauche, um meine Verträge zu erfüllen. Ich habe Aufträge, ich habe Fristen. Heißt für mich: Ich muss jetzt wieder viel nachts arbeiten.

Warum der Dings jetzt wieder bei uns ein- und ausgeht

Als Junior mir verkündet, dass er vorerst nicht zu seinem Vater will, da ist erstmal keine Rede davon, dass er ihn dann ja nicht mehr sehen kann. Es scheint aber auch egal zu sein. Er hat so große Sorge, dorthin zu müssen, dass das gerade keine Rolle spielt. Ich finde das aber keine gute Lösung.

Wenn die sich nicht mehr sehen, kann die Beziehung zwischen ihnen ja nicht besser werden. Aber soll ich mir das wirklich wieder antun? Dass der Dings jetzt wieder bei uns rumhängt? In meiner Wohnung? Meinem Zuhause? Ich habe das vor einem Jahr bereits mitgemacht und das war nicht schön. Nur… Was ist die Alternative?

Ein bisschen Eigennutz spielt hier aber wohl auch in meine Entscheidung hinein. Denn wenn ich die Betreuung durch den Dings komplett absage, habe ich gar keine Zeit mehr, um zu arbeiten.

Dann muss ich alle meine Projekte nachts machen, alle Termine tagsüber mit Junior an meiner Seite. Coaching-Sessions mit Junior, der jederzeit stören kann. Online-Workshops, bei denen ich vier Stunden am Stück konzentriert sein muss… Online-Konferenzen, die fast einen ganzen Tag gehen? Wie soll ich das machen?

Also kommt der Dings jetzt wieder zu uns. In meine vier Wände. Sitzt mit uns am Frühstückstisch. Klar, ich kotze nicht. Aber toll finde ich das nicht. Der gehört nicht hierher. Ich habe keinen Respekt mehr vor diesem Mann, nicht ein bisschen. Er hat sich mies verhalten und tut es immer noch.

Vielleicht kotze ich doch. Innerlich. Und weine um meine verlorenen freien Wochenenden

Deine, heute angeätzte
Anna

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