All das Unperfekte in meinem Leben

Unglaublich. Ich bin nicht ich selbst. Der Mann, den ich vor etwa einer Woche kennengelernt habe, kommt demnächst vorbei. In meine Wohnung. Und ich? Räume auf und um, putze Staub, verstecke Dinge, die er nicht sofort zu Gesicht bekommen soll. Ich hab sogar die Müllecke in meinem Wohnzimmer umgeräumt (du siehst das Ergebnis auf dem Beitragsbild). Echt jetzt, Anna?

Bist du es nicht, die immer radikale Offenheit predigt? Die meint, man(n) muss dich so kennenlernen, wie du bist und nicht so, wie du dich gern hättest? Und hatte ich nicht gerade erst darüber geschrieben, dass Menschen, die mich besuchen, mit dem Zustand meiner Wohnung und meines Lebens klarkommen müssen?

Mein unperfektes Leben, meine vielen Ideen und angefangenen Projekte. Das alles kann man an meiner Wohnung sehen. Und vielleicht ist es deshalb so unangenehm für mich, weil dieses Unperfekte im Außen auch auf das Unperfekte im Innen schließen lassen könnte? Wie perfekt kannst du sein? Und: Wie perfekt willst du sein?

Meine Wohnung: Eine Sammelstelle für unfertigen Aktionismus

Junior und ich sind hier eingezogen in einer Phase, die unfassbar stressig war. Ich hatte beschlossen, in relativ kurzer Zeit meinen Uni-Abschluss hinzukriegen. Weil ich es musste. Dann hörte ich, dass die größere Wohnung in unserem Haus frei werden würde. Junior war knapp zwei Jahre alt und ich wusste, dass er über kurz oder lang ein eigenes Zimmer brauchen würde. Wir beide würden das brauchen. Es war also eine Entscheidung nach dem Motto „Jetzt oder nie!“

Die Wohnung brauchte neue Tapeten, neue Böden und ich wollte dann doch endlich mal eine funktionstüchtige Küche haben. Ich hatte wenig Zeit, das zu realisieren. Meine unglaublich großartigen Nachbarn sagten mir zu, mir mit dem Laminat zu helfen. Auch beim Umzug selbst. Ich dachte, ich würde es irgendwie auf die Reihe kriegen.

Aber es blieb bei den meisten Projekten beim Minimalzustand. Die Wände: neu tapeziert und gestrichen. Der Boden: vollständig gelegt, aber er wellt sich in einem der Räume. Fußleisten: in einigen Räumen ja, in anderen nein. Schränke: teilweise hängen oder stehen sie schief. Aber man bekommt sie alle auf und zu. Küche: nutzbar, aber nicht fertig. Und nicht sonderlich gerade.

Ein Detailmensch, der die schiefen Schränke und fehlenden Leisten sofort sieht, wird hier vermutlich nur auf all die unperfekten Stellen schauen. Mich stören sie nicht, die meisten dieser Projekte sind im „irgendwann“-Status. So wie auch Schränke ausmisten, Keller aufräumen und letzte Umzugskisten auspacken.

Meine Energie, mein Ich und das Bild von mir

Es gibt Möbel in meiner Wohnung, die nicht mal mehr für den Sperrmüll interessant sind. So viele Dinge, die ich schon längst angehen wollte. Aber ich habe es nie getan. Andere Menschen würden sich vermutlich einfach einen freien Tag nehmen und es durchziehen. Mir aber fehlt die Energie dazu.

Vielleicht ist es auch das, was ich andere Menschen nicht sehen lassen will: Die fehlende Energie, die ich-lass-das-jetzt-so-Haltung. Ich lass das so, weil ich gerade nicht anders kann. Das ist jetzt kein Jammern, die wichtigen Dinge in meinem Leben bekomme ich ja hin. Aber eben nicht die, die nicht unbedingt sein müssen. Da setze ich meine Kraft lieber für etwas anderes ein. Und die To-dos liegen weiter dort und schauen mich an.

Warum stört mich, dass das jemand sieht?

Manchmal ist Bloggen ja eine Strategie, Gedanken zu sortieren, zu klären, sie eindeutig zu machen. Für mich ist das jedenfalls so. Manchmal schreibe ich in einer Stimmung, in der die Gedanken einfach nur raus wollen. Sie fließen, da ist einfach unglaublich viel Energie drin. Mal Wut, mal Erstaunen, mal Freude, aber auch mal Verwirrung, Trauer und Unsicherheit. Heute ist das so.

Ich mag diese Form von Unsicherheit nicht. Aber es ist gut, zu erkennen, dass es mir etwas bedeutet. Vielleicht sogar, dass er mir etwas bedeutet. Es passt mir aber nicht. Denn ich könnte daraus auch lesen: Er wird nicht mit dem Unperfekten klarkommen. Für ihn musst du dich verbiegen. Und das will ich nicht. Nie wieder.

Ich mache mir also Gedanken. Über mich, meine Intention und das, was noch passiert. Denn so sehr ich den Gedanken an lockere, leichte Dates auch mag – ich bin viel zu sehr im Außen unterwegs in den letzten Tagen. Und das ist ganz schön weit weg von meiner Idee, nur noch im heute zu leben und einfach glücklich zu sein. Keine Angst, Anna, was soll schon passieren? Hallo Optimismus, wäre gut, wenn du fix wieder da wärst!

Deine, heute stirnrunzelnde
Anna

Bild: privat.

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