Wenn nur noch Matchbox Twenty hilft

Ich habe mein Kind angeschrien. Eben. Ich mag mich nicht dafür und ich fühle mich nicht gut. Es war eine krasse Situation, in der ich wieder mal dachte, ein Puffer wäre gut. Irgendjemand, der da ist in diesen kritischen Situationen. Wenn wieder mal zwei Dickköpfe aufeinanderprallen. Es läuft an, es schaukelt sich hoch und es gibt dann diesen Punkt, an dem es nicht mehr vor und zurück geht. Ich brauche immer einen Moment, bis ich mir die Situation selbst verzeihen kann.

Du kennst bestimmt auch diese Situationen. Ein Auslöser, ein Streit. Und irgendwann kommst du nicht mehr raus. Es ist schon passiert, dass Junior so lange mit mir diskutierte, bis er in der Küche oder sogar mal im Badezimmer eingeschlafen ist. Er kann in diesen Kämpfen genau wie ich nicht mehr richtig denken. Wir streiten uns. Und wir vertragen uns. Und danach… hilft nur noch Matchbox Twenty.

Gefühle, Gefühle, Gefühle – du weißt nicht, wohin damit

Jetzt sitze ich hier in der Küche auf dem Boden. Die Spülmaschine läuft, das ist ein gutes Geräusch. Es klingt nach Aufgeräumtheit, nach Reinigung. Sonst ist es ganz still. Endlich still. Nach dem großen Knall eben. Ich kann nicht aufhören zu weinen. Und ich weiß nicht mal genau, warum. Vor lauter Anstrengung, aus Scham, aus Verzweiflung? Oder vielleicht, weil ich mir selbst leidtue? Es hört nicht auf, ich bin genauso aufgelöst wie Junior eben. Und ich mag mich nicht. Jetzt wäre es gut, mit irgendwem zu sprechen. Aber mit wem?

Diese Situation gibt es nur zwischen uns. Junior ist wie ich – kein Wunder also, dass wir Sturköpfe regelmäßig aneinandergeraten. Es gibt keine andere Person in seinem Leben, die diesen ganzen Mist mit ihm aushandeln muss. Die Themen sind ganz klassisch: Zähneputzen, ins Bett gehen, Nachtisch, Teilen, unser Umgang miteinander, der Haushalt und so weiter. Eigentlich unwichtig und doch in der Situation selbst so hart umkämpft.

Es gibt so viele Dinge, die ich gerne sagen und tun wollte, damit es nicht eskaliert. Vielleicht bin ich da einfach nicht gut drin. Ich kenne diese ganzen guten Tipps (du bist nicht gemeint, nimm es nicht persönlich, du bist die Erwachsene, es ist deine Verantwortung, er spiegelt dich nur). Und ich bin vertraut mit GFK und anderen Konzepten. Aber dann steckst du in so einer Situation und kriegst es nicht hin.

Das Leise und das Laute: Verzeih dir selbst, es ist doch vorbei

Ich kann immer noch nicht aufhören. Tatsächlich, ich schluchze, das ist nicht gut. Ich komm nicht runter. Also muss etwas her, das meine Gedanken übertönt. Und es muss seicht sein. So wie Matchbox Twenty halt. Mein Bauch und Hirn müssen verstehen, dass es jetzt vorbei ist.

Manchmal ist es härter als an anderen Tagen. Wenn der Austausch fehlt und es gibt niemanden, der deinen Schmerz nachvollziehen kann. Der die Situation kennt oder der die gleiche Rolle hat wie du. Wenn dich keiner in den Arm nimmt und dir sagt, dass alles gut wird. Der das gleiche auch schon mal erlebt hat. Und genauso gescheitert ist.

Kindererziehung ist echt kein Zuckerschlecken – auch wenn uns das gewisse Magazine und Insta-Accounts weismachen wollen. Es ist hart, es macht manchmal keinen Spaß. Und als Alleinerziehende hast du die ganzen üblen Seiten dieser Erziehungskiste eben allein. Es nimmt dir keiner ab und es stärkt dir keiner den Rücken. Wenn du andere fragst, werden sie es nicht verstehen.

Diese geballte Verantwortung ist schon hart genug. Aber das Schlimmste ist der fehlende Austausch. Es ist das Alleinsein. Mit der Situation, mit den Gefühlen, den eigenen wie auch denen des Kindes, mit dem Umgang damit und mit allen zukünftigen Situationen auch. Die Aussichten sind schlecht. Aber wenn es schon keiner für dich macht: Verzeih dir selbst.

The Show must go on: Steh auf, reiß dich zusammen

Klingt hart, aber es ist in meinen Augen die einzige Option. Du kannst eine Weile auf dem Boden sitzen und weinen. Du kannst schluchzen und tun, was dir gut tut. Aber dann musst du dir verzeihen. Du gibst immer dein Bestes. Das hast du auch heute getan. Nächstes Mal machst du es anders.

Ich nehme mir das jedesmal vor. Und klar, in besonders stressigen Phasen fällt es mir schwerer. Weil da noch so viele andere Faktoren sind, die mich unter Druck setzen. Termine, To-dos, Dinge, die in meinem Kopf sind und noch nicht auf die Liste können. Arbeit, Uni, Freunde, Sport, Dinge, die ich gern mal wieder tun würde. Irgendwelche E-Mails, Messenger-Nachrichten und im Zweifel macht mir sogar der volle Wäschekorb Druck. Egal wie oft ich mir sage, dass es egal ist und dass andere Dinge viel wichtiger sind.

Morgen ist ein neuer Tag. Verzeih dir selbst und geh schlafen. Du brauchst deine Energie und diese negativen Gedanken tun dir nicht gut.

Junior geht es gut. Er wird sich nachher ganz fest in meinen Arm kuscheln und morgen werden wir uns wieder sagen, wie lieb wir uns haben. Bis zum Mond. Und wieder zurück. Und überhaupt. Bis dahin gibt es ja noch Matchbox Twenty.

Deine langsam zur Ruhe kommende
Anna

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